Die autoimmun-vermittelte Myasthenia gravis ist die wahrscheinlich bekannteste Erkrankung aus dem Spektrum der auf eine Defizienz nicotinerger Acetylcholin-Rezeptoren zurückzuführenden Krankheitsbilder. Dem gegenüber wurde bislang keine Erkrankung infolge einer Störung muskarinerger Acetylcholin-Rezeptoren (M1-M5) beschrieben. Wir stellen hier einen männlichen Patienten mittleren Alters vor, dessen führendes Symptom Rückenschmerzen infolge rezidvierender Harnwegsinfekte bei schwerer Blasenentleerungsstörung waren. Neben dieser als Detrusorakontraktilität identifizierten Blasenstörung fielen ein schlanker Habitus (BMI 18,5) und eine extreme bilaterale Mydriasis, subjektiv als langjährige Lichtempfindlichkeit empfunden, auf. Nach ausführlicher Pupillendiagnostik, apparativer Prüfung anderer vegetativer Funktionen und dem Vergleich zum Phänotyp von männlichen M3-knockout Mäusen konnte eine Funktionsstörung des muskarinergen M3-Rezeptors als Ursache des klinischen Bildes geschlussfolgert werden. Auf Proteinebene ließ sich ein ausgeprägter Mangel des M3-Rezeptors mittels Western Blots und einer Radioliganden-Bindungsstudie nachweisen. Während in der genetischen Untersuchung kein Defekt der M3-Protein-kodierenden Sequenz und deren Promotoren festzustellen war, zeigten sich stark erhöhte antinukleäre Antikörper als Ausdruck einer autoimmunen Disposition, so dass wir als Ursache der M3-Defizienz einen Mechanismus analog zur autoimmun-vermittelten Myasthenia gravis vermuten. Über die Beschreibung dieses M3-Defizienz-Syndroms hinaus lassen sich die folgenden Erkenntnisse ableiten: a) die Akkommodation der Augenlinse ist im Gegensatz zur Steuerung der Pupillenweite nicht abhängig vom M3-Rezeptor, was die Suche nach Subtyp-spezifischen antiglaukomatösen Medikamenten ermutigt, b) eines der Konzepte beim Sjögren-Syndrom, eine allein auf der M3-antagonistischen Wirkung von M3-Antikörpern beruhenden Trockenheit von Augen und Mund, muss infrage gestellt werden, c) der M3-Rezeptor scheint auch beim Menschen, ähnlich zur Maus, für die Körpergewichtskontrolle relevant zu sein, d) der M3-Rezeptor ist essentiell für die lebenslang funktionierende Blasenentleerung beim Mann und e) es bestätigt sich eine relevante Rolle des M3-Rezeptors für die Schweisssekretion.

Ein neues klinisches Syndrom bedingt durch eine Defizienz des muskarinergen M3-Rezeptors: Trias aus bilateraler Mydriasis, Blasenentleerungsstörung und schlankem Habitus

TAYEBATI, Seyed Khosrow;
2009-01-01

Abstract

Die autoimmun-vermittelte Myasthenia gravis ist die wahrscheinlich bekannteste Erkrankung aus dem Spektrum der auf eine Defizienz nicotinerger Acetylcholin-Rezeptoren zurückzuführenden Krankheitsbilder. Dem gegenüber wurde bislang keine Erkrankung infolge einer Störung muskarinerger Acetylcholin-Rezeptoren (M1-M5) beschrieben. Wir stellen hier einen männlichen Patienten mittleren Alters vor, dessen führendes Symptom Rückenschmerzen infolge rezidvierender Harnwegsinfekte bei schwerer Blasenentleerungsstörung waren. Neben dieser als Detrusorakontraktilität identifizierten Blasenstörung fielen ein schlanker Habitus (BMI 18,5) und eine extreme bilaterale Mydriasis, subjektiv als langjährige Lichtempfindlichkeit empfunden, auf. Nach ausführlicher Pupillendiagnostik, apparativer Prüfung anderer vegetativer Funktionen und dem Vergleich zum Phänotyp von männlichen M3-knockout Mäusen konnte eine Funktionsstörung des muskarinergen M3-Rezeptors als Ursache des klinischen Bildes geschlussfolgert werden. Auf Proteinebene ließ sich ein ausgeprägter Mangel des M3-Rezeptors mittels Western Blots und einer Radioliganden-Bindungsstudie nachweisen. Während in der genetischen Untersuchung kein Defekt der M3-Protein-kodierenden Sequenz und deren Promotoren festzustellen war, zeigten sich stark erhöhte antinukleäre Antikörper als Ausdruck einer autoimmunen Disposition, so dass wir als Ursache der M3-Defizienz einen Mechanismus analog zur autoimmun-vermittelten Myasthenia gravis vermuten. Über die Beschreibung dieses M3-Defizienz-Syndroms hinaus lassen sich die folgenden Erkenntnisse ableiten: a) die Akkommodation der Augenlinse ist im Gegensatz zur Steuerung der Pupillenweite nicht abhängig vom M3-Rezeptor, was die Suche nach Subtyp-spezifischen antiglaukomatösen Medikamenten ermutigt, b) eines der Konzepte beim Sjögren-Syndrom, eine allein auf der M3-antagonistischen Wirkung von M3-Antikörpern beruhenden Trockenheit von Augen und Mund, muss infrage gestellt werden, c) der M3-Rezeptor scheint auch beim Menschen, ähnlich zur Maus, für die Körpergewichtskontrolle relevant zu sein, d) der M3-Rezeptor ist essentiell für die lebenslang funktionierende Blasenentleerung beim Mann und e) es bestätigt sich eine relevante Rolle des M3-Rezeptors für die Schweisssekretion.
2009
266
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